Wenn man ein Kind groß ziehen kann, bis die Kontrolleure wieder vorbeikommen. Das Staatsversagen beim Arbeitsschutz geht weiter

Am 23. September 2018 konnte man hier in dem Beitrag Der Arbeitsschutz zwischen Staatsversagen und „Vision Zero“ lesen: »Das sind harte Vorwürfe: Deutschland gehöre beim Arbeitsschutz zu den Schlusslichtern in Europa. Das habe der Sachverständigen-Ausschuss des Europarates festgestellt, der in allen Ländern die Einhaltung der sozialen Standards überprüft: „2014 hat der Sachverständigen-Ausschuss zum ersten Mal festgestellt, dass Deutschland im Arbeitsschutz nicht mehr den vorgeschriebenen Standard erreicht. Und wir haben uns eingereiht bei Bulgarien und Ungarn. Und das ist allerdings in Deutschland wenig zur Kenntnis genommen worden.“ So … Wolfhard Kohrte von der Universität Halle-Wittenberg. Er sieht darin ein Staatsversagen.«

Und damals wurde berichtet: »In allen Bundesländern – die für den Arbeitsschutz zuständig sind – wurden bei den Arbeitsschutzbehörden massiv Stellen abgebaut. Folge: Von Jahr zu Jahr finden weniger Betriebskontrollen statt. Seit Mitte der 1990er Jahre ging die Zahl um zwei Drittel zurück, obwohl es immer mehr Betriebe und Vorschriften gibt.«

Man könnte hoffen, dass sich zwischenzeitlich die Dinge in diesem für Arbeitnehmer so wichtigen Bereich zum Besseren entwickelt haben. Haben sie aber nicht, wenn man sich die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag anschaut.

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Corona-Infektionen, weil die Rumänen „ein geselliges Volk“ sind? Über ein Geschäftsmodell mit osteuropäischen Billigarbeitern und ein Staatsversagen beim Arbeitsschutz (nicht nur) in viralen Zeiten

Über die Menschen, die als Erntehelfer für die Landwirtschaft nach Deutschland geholt wurden (und werden), sowie deren teilweise menschenunwürdige Behandlung auf den Feldern und Höfen des Landes (die übrigens auch in den Vorjahren immer wieder beklagt wurde), kann man in diesem Beitrag vom 1. Mai 2020 einiges erfahren: Was ist eigentlich aus den rumänischen Erntehelfern geworden, die zur Rettung des deutschen Spargels eingeflogen wurden? Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht. Die Register, die hier von Seiten des Staates zugunsten der Spargel- und sonstigen Bauern gezogen werden unter Inkaufnahme nicht nur logischer, sondern auch Menschenleben gefährdender Widersprüche zu den ansonsten geltenden Restriktionen für den Gesundheitsschutz aller Menschen, zeigen eindrücklich, welche „systemrelevante“ Bedeutung die Arbeitskräfte aus Osteuropa hier in Deutschland haben. Das kann man mit vielen guten Argumenten kritisieren und mit Blick auf die Zukunft und das dann sicher abnehmende Potenzial an ausbeutbaren Menschen (zumindest aus Osteuropa) zu einem Auslaufmodell erklären, wie das beispielsweise Vladimir Bogoeski in seinem Beitrag Die Teufelsmühle macht: »Eine menschliche Lieferkette aus Osteuropa sorgt für Spargel auf den Tellern und Pflege für die Alten. Eine Zukunft hat das jedoch nicht.«

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Was ist eigentlich aus den rumänischen Erntehelfern geworden, die zur Rettung des deutschen Spargels eingeflogen wurden? Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht

Das Muster kennt man: Da wird über einen Sachverhalt in den Medien berichtet, sehr gerne, wenn man was kritisieren kann. Und einige Medien haben es dann besonders mit dem (angeblich) quotenträchtigen Skandalisieren. Wenn das einschlägt, hängen sich andere Medien an den Zug der Berichterstattung. Zuweilen bekommt dann der Medien-Konsument den Eindruck, dass alle über das gleiche Thema berichten und voneinander kopieren. Aber nachdem das überschaubare Feld abgegrast ist, erlischt das Interesse der Medienmaschinerie und die Akteure ziehen weiter auf die nächsten Baustellen, die dann die Agenda bestimmen. Leider viel zu selten wird noch mal hingeschaut, was eigentlich aus dem Gegenstand der nunmehr erloschenen punktuellen Berichterstattung, was aus den Menschen geworden ist, um die es (vielleicht) in den Beiträgen ging. Kein Thema mehr. Schade, aber in der nach den Regeln einer radikalisierten Aufmerksamkeitsökonomie gestrickten Medienlandschaft irgendwie verständlich und offensichtlich ein Automatismus, der immer weniger bis gar nicht mehr hinterfragt wird.

Dadurch wird natürlich auch nicht mehr sichtbar gemacht, ob sich was verbessert hat durch die Berichterstattung – oder nicht. Und auch nicht, was möglicherweise hinter den Kulissen getrieben wird. Weil kaum noch einer hinschaut.

Nehmen wir als Beispiel die diesjährige Rettungsaktion für den deutschen Spargel (und für andere landwirtschaftliche Produkte). Hier geht es um ganz harte Arbeit, um Knochenjobs und um Menschen, die aus anderen Ländern als Erntehelfer hier hergeholt werden, weil sie bereit sind, diese Arbeit zu machen und das zu einem für die Produzenten der Feldfrüchte überschaubaren, also relativ niedrigen Preis.

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