Fortgeschriebene Schwindsucht: Die Tarifbindung in Deutschland nimmt weiter ab und die Kernzone des dualen Systems mit Betriebsrat und Tarifvertrag schrumpft

„Der rückläufige Trend in der Branchentarifbindung setzt sich damit fort“, so bringt Susanne Kohaut vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit die neuesten Zahlen – Tarifbindung nimmt in Deutschland weiter ab – auf den Punkt: »Im Jahr 2020 arbeiteten 43 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifvertrag. Die Tarifbindung ist dabei im Westen deutlich höher als im Osten. Rund 45 Prozent der westdeutschen und 32 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten arbeiteten in einem Betrieb, in dem ein Branchentarifvertrag galt. 2019 galt das noch für 46, beziehungsweise 34 Prozent. Das zeigen Daten des IAB-Betriebspanels, einer jährlichen Befragung von rund 16.000 Betrieben durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).«

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Wenn man keine Ahnung hat, sollte man … Die FDP stand kurz vor der Legalisierung aller Drogen? Nein, nicht wirklich

»Die Auswirkungen des drogenpolitischen Experiments Portugals sind durch die Forschung bestätigt …; aus dieser Erfahrung kann und muss eine Welt, die in einem gescheiterten „Kampf gegen Drogen“ gefangen ist, etwas lernen. Der portugiesische Ansatz mit seinem innovativen Charakter zeigt, dass der Drogenproblematik nicht mithilfe von Generälen, Polizisten oder Strafrichtern, sondern vielmehr mithilfe von Ärzten, Sozialarbeitern und Wissenschaftlern begegnet werden muss.«
Artur Domosławski (2011): Drogenpolitik in Portugal. Die Vorteile einer Entkriminalisierung des Drogenkonsums, Warschau: Open Society Foundations, Juni 2011, S. 8

Was muss das für eine Aufregung gewesen sein für die Führungskräfte der FDP auf ihrem Podium beim Bundesparteitag 2021: »Das kam überraschend. Mit einer klaren Mehrheit hat sich die FDP hinter den Antrag ihres Bezirksvorsitzenden von Berlin-Marzahn Roman-Francesco Rogat gestellt, der de facto die Forderung nach einer Entkriminalisierung aller Drogen in Deutschland bedeutet hätte. Angelehnt an das „portugiesische Modell“ hatte Rogat eine „liberale Drogenpolitik“ und „mehr Prävention statt Bestrafung“ ins Wahlprogramm zur Bundestagswahl schreiben wollen«, so dieser Bericht vom Mirko Schmid: Parteitag der FDP stimmt für Entkriminalisierung aller Drogen – und korrigiert sich. »Der Beschluss löste umgehend hektisches Treiben und fast schon panische Reaktionen der Parteispitze um Christian Lindner aus. Dessen Vize, Wolfgang Kubicki, nannte eine „vollständige Freigabe aller Drogen“ etwas, „das die Freien Demokraten unter keinem Gesichtspunkt gutheißen können“. Wenn künftig jeder straffrei jede Droge konsumieren könne, „dann haben wir ein Riesenproblem bei der Gestaltung unserer Zukunftsfähigkeit“, warnte er. Lindner selbst berief sich auf technische Probleme, deretwegen sich Gegner des Antrages nicht hätten zu Wort melden können – angesichts der Corona-Pandemie findet der Parteitag der Liberalen weitestgehend online statt.«

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Von den präviralen Ungleichheiten nach einer kurzen Unterbrechung in eine postvirale Klassengesellschaft? Daten und Spekulationen über Armut und Ungleichheit

»Wer in Deutschland einmal unter die Armutsgrenze rutscht, bleibt immer öfter länger arm. So beträgt der Anteil dauerhaft von Armut bedrohter Menschen an allen Armen 44 % – und ist damit mehr als doppelt so hoch wie noch 1998. Zudem droht die Corona-Pandemie die finanzielle Situation benachteiligter Gruppen zu verschärfen: Auch wenn höhere Einkommensgruppen im ersten Lockdown häufiger Einkommenseinbußen hatten, kämpften neben Selbstständigen besonders Menschen mit niedrigen Einkommen, Geringqualifizierte und Alleinerziehende mit finanziellen Schwierigkeiten.« Das konnte man einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes entnehmen, die im März 2021 veröffentlicht wurde: Armutsrisiken haben sich in Deutschland verfestigt, so ist die überschrieben. Darin wird über den neuen Datenreport 2021 – Sozialbericht für Deutschland berichtet. Der Datenreport ist ein Sozialbericht, den die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dem Sozio-oekonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sowie 2021 erstmals mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung herausgibt (vgl. dazu auch den Beitrag Eine Verfestigung von Armutsrisiken und mehr: Der Datenreport 2021. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland vom 10. März 2021).

Während sich die einen schon bei der Überschrift der Pressemitteilung zum neuen Sozialbericht bestätigt fühlen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung einer zunehmenden Ungleichheit in unseres Gesellschaft, ließ die Reaktion „der anderen Seite“ nicht lange auf sich warten, also derjenigen, die das alles ganz anders sehen: Zerrbild der Realität, so vorwurfsvoll schon in der Überschrift haben beispielsweise Christoph Schröder und Maximilian Stockhausen vom arbeitgebernahen Institut der der deutschen Wirtschaft (IW) ihre Verarbeitung des neuen Sozialberichts überschrieben.

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