Wenn die gegebene Maschinerie von Angebot und Nachfrage vor sich hin wirkt, dann muss die regionale Mietpreisentwicklung immer weiter auseinander laufen

Mittlerweile sollte es überall angekommen sein – die „Wohnungsfrage“ wird (wieder) zu einer der ganz großen sozialen Fragen im Hier und Jetzt und vor allem in den vor uns liegenden Jahren. Dazu wurde auch in diesem Blog schon viel geschrieben, vgl. nur als Beispiel den Beitrag (Nicht-)Wohnen: Die alte neue soziale Frage. Von einem Sprengsatz in unserer Gesellschaft mit erheblicher Splitterwirkung vom 27. Oktober 2015 sowie ein Jahr zuvor vom 10. September 2014 den Beitrag Wohnst Du schon oder suchst Du noch? Die Wohnungsfrage als neue alte soziale und „Markt“-Frage, zunehmend auch für die „Mitte“. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es zum einen „den“ Wohnungsmarkt nicht gibt und geben kann. Wir sind mit einer Vielzahl regionaler bzw. lokaler Wohnungsmärkte konfrontiert (was aber beispielsweise auch für die meisten Arbeitsmärkte gilt). Selbst wenn man „einen“ konkreten Wohnungsmarkt vor Ort betrachtet, wird man es in der Regel mit einer Gleichzeitigkeit eines Angebotsüberschusses wie auch eines Angebotsmangels zu tun haben, in Abhängigkeit davon, ob man das Segment der Luxus- und Premienwohnungen oder das der günstigen oder gar billigen Wohnungen betrachtet.

Letztendlich geht es auch auf den „Wohnungsmärkten“ um ein wirkkräftiges Zusammenspiel eines (bestimmten) Angebots und einer (bestimmten) Nachfrage. Mit „bestimmt“ ist hier eben nicht generell ein vorhandener Nachfrageüberhang bezeichnet, der zu einer Angebotsausweitung führen müsste, weil man hier Geschäfte machen könnte. Also nicht gemeint ist der enorme Nachfrageüberhang nach günstigem oder halbwegs bezahlbaren Wohnraum, denn die Rendite aus der Bearbeitung einer anderen Nachfrage sind nun einmal aus der einzelbetrieblichen Sicht eines Anbieters im Segment der höherpreisigen oder gar der Luxuswohnungen höher (bis es in diesem Segment dann Marktungleichgewichte gibt, also konkret einen Angebotsüberschuss, der gut ist für die überschaubare Zahl an Nachfrager in diesem Bereich und schlecht für die Anbieter – aber das dauert und der einzelne Anleger hat nur die in der Vergangenheit erzielten Renditen vor Augen und schreibt diese in die Zukunft fort). 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Wir stehen vor einem Dilemma dergestalt, dass jeder wirkkräftige Lösungsansatz angesichts der zunehmenden Nachfrageprobleme in bestimmten Regionen, vor allem den Wachstumsregionen und den Großstädten, nur auf der Angebotsseite stattfinden kann, Stichwort sozialer Wohnungsbau und generell eine Ausweitung der Menge an angebotenem Wohnraum. Zugleich könnte die ebenfalls vorhandene Nachfragemangel-Problematik in vielen gerade ländlichen Regionen, die es eben auch gibt, Stichwort Leerstände, nur durch eine Nachfrageerhöhung reduziert werden, also eine Umkehrung der Abwanderung aus diesen Räumen. Solange diese Muster aber aus ganz unterschiedlichen und vielfachen Gründen weiter ablaufen, muss sich das auch neiderschlagen in einer entsprechenden Mietpreisentwicklung.

Über die berichtet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) unter der Überschrift Wohnungsmieten legen weiter zu. Auch hier beginnt der Blick auf „die“ Entwicklung mit einem Blick von ganz oben: »Die Neuvertragsmieten sind deutschlandweit im Jahr 2017 gemessen am Vorjahreszeitraum um 4,5 Prozent auf durchschnittlich 7,99 Euro pro Quadratmeter gestiegen. 2016 betrug das Plus noch 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Preisdynamik hat sich damit kaum abgeschwächt. « Das ist ein Anstieg, der weit über der allgemeinen Preissteigerungsrate liegt und auch über den Reallohnzuwächsen der allermeisten Beschäftigten. Aber im Kontext der bisherigen Ausführungen zur Heterogenität der Angebots-Nachfrage-Situationen auf den Wohnungsmärkten wird man natürlich und richtigerweise skeptisch sein, wenn mit Werten gearbeitet wird, die ganz Deutschland betreffen.

Die Abbildung verdeutlicht bereits auf einen Blick die enorme Spannweiten der Angebotsmieten* für Wohnungen je nach Lage. Gut erkennbar sind die erheblichen Preisunterschiede, die mit den Wachstumszentren korrelieren. Da gibt es Zuzüge, also eine Nachfrageausweitung auf sowieso schon mehr als angespannten Wohnungsmärkten – und dort haben wir auch bislang hohe Wachstumsraten bei der Beschäftigungsentwicklung gesehen. »In mehr als 50 kreisfreien Städten und Landkreisen zogen die Mieten inserierter Wohnungen um mehr als sechs Prozent an … München bleibt für Wohnungssuchende mit Angebotsmieten von durchschnittlich 16,65 Euro pro Quadratmeter die mit Abstand teuerste Großstadt Deutschlands. Es folgen Frankfurt am Main (13,09 Euro), Stuttgart (12,62 Euro), Freiburg im Breisgau (11,74 Euro), Ingolstadt (11,28 Euro) und Hamburg (11,14 Euro). In München, Frankfurt am Main und Stuttgart strahlen hohe Mieten besonders weit in den Pendelbereich aus. In anderen Metropolen wie Düsseldorf, Köln und Berlin reichen sie hingegen nur ins engere Umland.«

Die nach allen Regeln des Zusammenwirkens von Angebot und Nachfrage erwartbare Spreizung der Mietpreisentwicklung zwischen den großstädtischen und den ländlichen Regionen verdeutlicht die Abbildung des BBSR am Anfang dieses Beitrags. Eine Vorstellung von der Spannweite kann man dem Blick auf die Preise (und die Art) der Neuvermietungen entnehmen:

»Neubauwohnungen gehören in den Großstädten in der Regel zum hochpreisigen Angebotssegment. 70 Prozent der erfassten Wohnungsinserate für Neubauwohnungen lagen im Jahr 2017 in den kreisfreien Städten bei über 10 Euro je Quadratmeter (Erstvermietung). In den sieben größten Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf) wurden mehr als 90 Prozent der Neubauwohnungen für mehr als 10 Euro pro Quadratmeter inseriert. Dort liegen auch die durchschnittlichen Angebotsmieten für Bestandsgebäude und Neubauobjekte mittlerweile bei über 10 Euro je Quadratmeter.

In ländlichen Gegenden abseits der Ballungsräume müssen Neumieter weitaus weniger tief in die Tasche greifen. In den Landkreisen Wunsiedel (Bayern), Vogtlandkreis (Sachsen), Holzminden und Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) waren inserierte Wohnungen für weniger als 4,50 Euro je Quadratmeter zu haben.«

Der BBSR-Wohnungsmarktexperte Matthias Waltersbacher wird mit diesen Worten zitiert: „Eine deutliche Ausweitung des Wohnungsbaus könnte sich dämpfend auf die Mietendynamik auswirken. Besonders in den Großstädten mit Marktanspannungen hat der Bau von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in den letzten Jahren stark zugelegt. Der boomende Wohnungsbau reicht dort aber noch nicht aus, um der großen Zahl der Wohnungssuchenden gerecht zu werden und den Mietanstieg zu bremsen.“

Könnte – aber die bisherige Entwicklung geht (noch) in eine andere Richtung und hat ganz massive sozialpolitische Auswirkungen, über die in diesem Blog-Beitrag vom 13. September 2017 berichtet wurde: Wohnverhältnisse in den deutschen Großstädten: Hohe Mieten bringen kleine Einkommen an den Rand der Armut und darüber hinaus. In Deutschlands Großstädten rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in die Armut oder haben nur noch extrem wenig Geld zum Leben. Dort müssen bereits gut eine Million Haushalte mit 1,6 Millionen Bewohnern mehr als die Hälfte des Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Etwa 1,3 Millionen Haushalte können nach Abzug der Mietzahlung nur noch über ein Resteinkommen verfügen, das unterhalb der Hartz-IV-Leistungen liegt. Das kann man dieser Studie entnehmen:

➔ Henrik Lebuhn, Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel (2017): Wohnverhältnisse in Deutschland – eine Analyse der sozialen Lage in 77 Großstädten. Bericht aus dem Forschungsprojekt „Sozialer Wohnversorgungsbedarf“, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, September 2017

Die Studie hat gravierende Unterschiede bei der Belastungsquote gefunden: Während die Haushalte mit höherem Einkommen im Mittel 17,2 Prozent davon für die Bruttokaltmiete aufwenden müssen, sind es bei den Haushalten an der Armutsgrenze 39,7 Prozent.

Auch interessant: Hohe Mietbelastungen sind aber nicht auf bestimmte teure Städte und wohlhabende Regionen wie München oder Düsseldorf beschränkt. Unter den zehn Städten mit dem höchsten Anteil finden sich auch wirtschaftlich schwache Standorte wie Bremerhaven, weil dort viele Menschen eher wenig verdienen.

Die Wissenschaftler bilanzieren: »Die Ungleichheit der Wohnverhältnisse entspricht in etwa den Einkommensunterschieden. Die sozialpolitische Dimension der Wohnversorgungssysteme, Einkommensunterschiede zu mildern und einen Beitrag zur sozialen Kohäsion zu leisten, haben sich weitgehend aufgelöst. Die Wohnverhältnisse reproduzieren die Einkommensunterschiede in den meisten Dimensionen. In Bezug auf die Mietbelastungsquote kann sogar eine Verschärfung der Ungleichheit durch die Wohnverhältnisse festgestellt werden. Die Wohnbedingungen sind damit nicht nur ein Spiegel bestehender Ungleichheit, sondern tragen auch selbst durch die hohe Mietkostenbelastungen zu einer wachsenden Ungleichheit bei.« (Lebuhn et al. 2017: 78).

*) Zur Methode der Bestimmung von „Angebotsmieten für Wohnungen“ erläutert das BBSR: »Die vom BBSR ausgewerteten Angebotsmieten basieren auf Inseraten aus Immobilienplattformen und Internet-Angeboten von Tageszeitungen für Erst- und Wiedervermietungen von Wohnungen. Bei den berechneten Mietwerten handelt es sich um Nettokaltmieten ohne Nebenkosten für nicht-möblierte Wohnungen zwischen 40 und 130 Quadratmetern. Mieten aus bestehenden Mietverträgen werden mit dieser Quelle nicht dargestellt.«

Quelle der Abbildungen: BBSR (2018)